MORGENARBEIT AM REITINSTITUT EGON VON NEINDORFF STIFTUNG
SONNTAG 27.JULI 2025
C.Stern-Guptill
Es ist die dritte öffentliche Morgenarbeit am Reitinstitut mit dem Thema “Von der Longe bis zur Arbeit an der Hand”. Es ist die letzte aus einer Reihe von themenbezogenen öffentlichen Morgenarbeiten in diesem Sommer. Die Reihe der öffentlichen Morgenarbeit-Veranstaltungen begann am 22.Juni dieses Jahres mit dem Thema “Sitzschulung des Reiters in allen Gangarten und Touren”. Darauf folgte das Thema “Arbeit mit jungen Pferden” in einer zweiten öffentlichen Morgenarbeit am 13 Juli 25. Die Zuschauer waren aufgefordert, im Anschluss auftauchende Fragen zu stellen, wovon dann auch ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Es ist ein weites Themengebiet, das hier heute vormittag erarbeitet wird. Und wie einfach alles aussieht, wenn man den Reitern im historischen Reithaus mit ihren Pferden zusieht… Eine Reiterin stellt ihren Lipizzaner am langen Zügel vor. Sie schreiten durch die Halle und mühelos demonstrieren sie ihre Teamarbeit, ihr unsichtbares “Eingestimmtsein”, das einander Zuhören- die Vorstellung beweist: hier stimmt alles.
Axel Schmidt, der Leiter des Reitinstituts, erarbeitet und erläutert mit den einzelnen Pferden die verschiedenen Übungen und jeweils die Hintergründe und Arbeitsaspekte der unterschiedlichen Themenpunkte. Er erzählt dabei beispielsweise, wieviele tausend Kilometer Herr Prof Uli Schnitzer, hier am Reitinstitut mit seinen Pferden am langen Zügel über viele Jahre schon zurückgelegt hat. Dieser hat zB früher oftmals 4 Pferde hintereinander, je 1 Stunde lang am langen Zügel gearbeitet!Heute sind sein Pferd Don und Prof Schnitzer beide “hochbetagt” sozusagen und beide geniessen noch immer die Arbeit im Reithaus,- noch immer recht gesund und munter und Spässchen nicht abgeneigt. Don bleibt da oft gekonnt genau ausser Reichweite der Longierpeitsche des Herrn Professors und dieser schmunzelt dann, ob des kleines Tricks seines alten Kameraden. Es klingt fast banal, aber es fängt eigentlich schon alles an beim korrekten Führen des Pferdes….verdeutlicht Axel Schmidt. Beim Thema Longieren betont Herr Schmidt, dass es etliche Punkte gibt, die zu beachten sind. Er bemerkt, dass heutzutage gerade die jungen Pferde von oben bis unten geradezu “eingepackt” sind, also mit Bandagen, Stützen, usw sozusagen vollkommen unnötig “umwickelt”. Wichtiger Anfangsaspekt ist die ruhige Hand des Longenführers, denn sogar beim Kappzaum stört die unruhige Hand das Pferd sehr wohl ! Kaum einer ist sich wirklich bewusst, wie empfindlich das Pferdemaul doch ist. Während Axel Schmidt genaue Erläuterungen gibt, knabbert das  Pferdebeispiel” neben ihm, vorsichtig an seinem Arm. Es ist die Ungarische schwere Warmblutstute Fanny, die da liebevoll probiert, ob es nicht doch schon vor der Arbeit vielleicht ein Leckerli vom Chef gibt.Es ist übrigens immer auffällig am Reitinstitut, dass kein Pferd hier verspannt mit dem Schweif wirbelt, die Ohren giftig anlegt oder in irgendeiner Form mit dem Kopf schlägt, der harten Zügelhand etwa verzweifelt ausweicht und sich sogar richtig wehrt und widersetzt gegen seine Reiter und Ausbilder. Alle Pferde sind entspannt und freundlich, arbeiten geduldig und vertraut mit- sie wissen es tut nie irgend etwas weh und es ist alles gut. Ja, sie freuen sich auf ihre Aufgaben, denn sie wissen, sie sind ein ganz wichtiger Teil dieser Arbeit ! Die Pferde wissen immer ganz genau, wie alles funktioniert- ja sie wissen meist mehr als die Schüler- sie sind ja Lehrpferde- das ist ihre Aufgabe und das wissen sie auch ! Für das Longieren wird der Zügel am Kehlriemen an der Trense geschlungen und dann als sogenannte “Wurst” sicher in dieser Position “aufbewahrt” führt Axel Schmidt weiter aus. Es sind wieder nur Kleinigkeiten, wie es scheint, aber tatsächlich wichtige “Sicherheitsvorkehrungen”, jedoch wird deren Wichtigkeit erst klar, wenn ein möglicher Unfall passiert ist. Der Ausbilder weist darauf hin, dass der Reiter immer aufmerksam sein muss und durch korrekte Vorbereitung Unfälle und Verletzungen vermeiden kann.
Auch das korrekte Aufrollen der Longe für deren Aufbewahrung gehört dazu. So ist die Longe immer ordentlich gerollt und für die nächste Verwendung griffbereit. Die korrekte Handhabung der Longe während des Longierens wird ebenfalls demonstiert. Alle Pferde sind schreckhaft, und sie können in Sekundenschnelle große Kraft entwickeln, wobei es schnell gefährlich werden kann. Durch Voraussicht und Vorbereitung kann hier manche Gefahr schon im Vorfeld vermieden werden. Disziplin ist gefragt- als eine der ersten Übungen wird das sichere Anhalten und Stillstehen empfohlen und dann das Antreten des Pferdes im Schritt nach der Anweisung des Longenführers. Die Disziplin, die man vom Pferd fordert, fängt mit der Disziplin beim Reiter an, so Axel Schmidt. Disziplin, Gleichmässigkeit der Arbeitsschritte, Gemeinsames Durchführen und Arbeiten- beide, Pferd und Reiter sind hier als Team gefordert, beide müssen sich alles erarbeiten und lernen. Zum Thema Ausbinder gibt es wie für alles Für und Wider -Stimmen, erläutert Axel Schmidt. In erfahrener Hand sind Ausbinder ein sehr gutes Mittel zum Zweck und haben auf jeden Fall ihre Berechtigung, kommentiert er. Es kommt jedoch immer je nach Pferd und Pferdesituation zB auf die Einschnallhöhe der Ausbinder an. Die Ausbinder geben Hilfe bei der Beizäumung- in richtiger Höhe richten sie das Pferd auf und bewirken ein “Heranschliessen” des Pferdes als Ziel.
Die Aufgabe des Ausbinders ist das “Gerade halten des Pferdes”- die Gefahr des “Krumm ziehens” des Pferdes besteht immer- der Hals ist die “Balancestange” des Pferdes- es ist der beweglichste Teil der Wirbelsäule- beschreibt der erfahrene Ausbilder. Es ist immer falsch, den Kopf schief zu ziehen!
Die Position des Longenführers ist ebenfalls sehr wichtig. Alles hat Auswirkungen auf das Pferd, die Position des Longeführers kann sowohl beispielsweise verbremsend beim Pferd wirken, wie auch eine Gangverstärkung beim Pferd auslösen.Desweiteren sind die Position der Peitsche, die Handhabung der Sprache, also der Sprachhilfe und die verschiedenen Zeichen des Longenführers wichtige Übermittlungen von Anweisungen an das Pferd. Das Wichtigste bei allem, ist das Pferd immer wieder zu loben, unterstreicht Herr Schmidt. “Verkleinern und Vergössern des Pferdes” – mit dem Ziel Versammlung………
Axel Schmidt verdeutlicht nun mit verschiedenen Pferden Piaffetritte, erläutert die Handhabung der Touchierpeitsche, die korrekte Position des Reiters beim stillstehenden Pferd, die verschiedenen
Touchierpunkte beim Pferd, wie auch z.B. das sogenannte “Abstreichen” mit der Gerte. Das Wichtigste ist das Aufhören mit der Übung im richtigen Moment, was vielen Reitern am schwersten fällt, einschliesslich ihm selbst, wie Axel Schmidt zugibt.
Bei der Arbeit am langen Zügel können alle Übungen der Hohen Schule erarbeitet werden, erklärt Schmidt. Ganz wichtig als Basis jeglicher Arbeit ist das Vertrauen des Pferdes, welches man sich zunächst erst mal erarbeiten muss ! Das ruhige Stehen zwischen den Übungen und immer wieder Pausen einlegen, ist maßgeblich, betont Schmidt. Nach der Übung immer wieder die Dehnungshaltung erlauben, so dass sich das Pferd erholen und entspannen kann- ! Ungeduld und Drängen des Pferdes hilft hier keinesfalls! Beim Piaffieren an der Hand, mit Hilfe des Zügels, ist die Position des Reiters am Boden ebenso sehr wichtig. Der Reiter ist Respektsperson, braucht aber immer auch sehr viel Geduld und Feingefühl gegenüber dem Pferd. Es ist wichtig, immer das gesamte Pferd im Auge zu behalten, dabei immer sprechen und loben, erklärt Herr Schmidt, während gerade das laute Schnauben seines Pferdes während der Arbeit deutlich zu vernehmen ist. Das zufriedene “Abschnauben” des Pferdes ist ein Zeichen des Wohlbefindens.
Das ganz “einfache” Führen des Pferdes ist schon eine Vorbereitung zur Handarbeit, betont Axel Schmidt erneut. Das beginnt schon ganz am Anfang bei den Fohlen. Das Anbinden, das Führen, das Mitgehen der Fohlen mit ihren Müttern- das kann schon früh und ohne Zwang geübt werden. Axel Schmidt mag das Wort “Trainer” im Zusammenhang mit der Arbeit mit Pferden nicht. Er ist Lehrer und Ausbilder, unterstreicht er. Das Erarbeiten des Langen Zügels beginnt den Grundgangarten unterm Sattel. Hier werden regelmässiger Takt, Tempo und Gleichmaß geübt. Nach der vorbereitenden Basisarbeit kann die Arbeit an der Hand und an der Doppellonge beginnen. Sicherheit und Voraussicht sind immer die Grundbedingungen- Die Zuversicht “Mein Pferd ist immer lieb” sollte lieber mit Vorsicht und Vorsorge abgesichert werden. Pferde sind in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich in ihrer Reaktion, welche dann recht vielgestaltig sein kann.
Die Frage nach der Arbeit in den Pilaren entgegnet Axel Schmidt kurz und offen mit der Aussage “Das ist die höhere Liga und es kann bei mangelnder Erfahrung und falsch verstandenem Einsatz der Pilaren zu schweren Verletzungen beim Pferd führen.Sie sollte ausschliesslich von Ausbildern mit sehr viel Erfahrung in Sachen Handarbeit, durchgeführt werden, die wissen wie man die Hilfsmittel einzusetzen hat. Gründliche und geduldige Vorbereitung auch hier, zunächst mit “lebenden” Pilaren und mit dem “Pilarenkappzaum”, erläutert er anschliessend.
Die Arbeit an der Doppellonge muss man sich erarbeiten. Die beginnt dann, wenn das Pferd korrekt an der einfachen Longe gearbeitet wurde. Die benötigte Zeit und die Art und Weise ist für jedes Pferd mehr oder weniger ganz individuell, gibt Schmidt zu bedenken. Man muss die Pferde sehr gut kennen und ihre Reaktionen sozusagen vorausschauend “einplanen” kommentiert der Ausbilder hier. “Es gibt viele Wege und manchmal schenken einem die Pferde vieles…”. Wenn das Pferd etwas “schon mitbringt und es sozusagen anbietet”, dann strengt es den Reiter nicht so an. Man sollte dies jedoch nicht in unbedachter und übertriebener Form ausnutzen – beschreibt Herr Schmidt. Es ist die Aufgabe des Reiters, den Weg dahin zu finden und dabei immer den eigenen Horizont zu erweitern, gibt er zu bedenken. Auf den Spanischen Schritt angesprochen, antwortete Axel Schmidt, dass Neindorff diesen ablehnte, wie auch viele andere Ausbilder der klassischen Reitkunst dies taten, weil unter anderem die Gefahr bestand, dass sich die Pferde im Rücken festmachten. Auch ob man zuerst mit Piaffe oder eher mit Passagearbeit beginnen sollte, antwortete er, dass das immer auf das jeweilige Pferd ankomme. Diese Lektionen können dann aber die Grundlage für vieles andere sein, auch das Springen, führt er dabei an. Das Ziel ist immer, die vermehrte Lastaufnahme auf die Hinterhand und die Kraftentwicklung der Hinterhand vollzieht sich über die Piaffearbeit. Die Levade ist dann die Versammlung im höchsten Grade, so Schmidt.  Longenarbeit dient auch der Kräftigung und der kontrollierten Bewegung von Pferden, die gesundheitsbedingt nicht geritten werden können. Er betont, dass die Reihenfolge der Ausbildung bei den alten Meistern ganz anders war als heute. Die Galopparbeit erfolgte beispielsweise erst nach der Ausbildung von Piaffe-und Passagearbeit. Vorher wurde nicht galoppiert ! Die Piaffearbeit fördert die Balance jedes Pferdes- das ist ihr “Zweck”-sie ist also eine Übung innerhalb der Ausbildung des Pferdes, keine Schaunummer oder nur eine Lektion für das große Rechteck!
Auf die Frage nach dem “Schulschritt” definierte Axel Schmidt diesen als ein erhabenes Schreiten, der versammelte Schritt ist bewegt sich in der Arbeit hin zum Schulschritt, also noch vor diesem. Dabei besteht oft die Gefahr vom Paßgehen beim Pferd, warnt er. “Was ist ein Schulpferd?” kommt als nächste Frage von den Zuschauern. Hier erklärt Axel Schmidt, dass dies ein Lehrpferd sei. Es ist kein Roboter, was alles einfach gehorsam macht, sondern es reagiert nur auf korrekte Hilfen. Hier lernt der Schüler unmittelbar, wo es bei seinen Anweisungen an das Pferd noch hapert ! “Das Pferd “stellt Fragen” wie ein guter Lehrer und reagiert nur auf korrekte Hilfengebung des Reiters….” beschreibt der Ausbilder. Ein Lehrpferd ist kein Wohlfühlpferd, sondern es zeigt die eigenen Schwächen und führt den Schüler manchmal auch wieder ganz physisch auf den “Boden der Tatsachen” -deutet wahrheitsgemäss an, wo noch “nachgearbeitet” werden muss, beim Schüler wohlgemerkt- das weise Lehrpferd “kann alles schon, weiss genau, wie es vonstatten gehen muss !“ Es verlangt und akzeptiert nur die korrekten Hilfen !
Axel Schmidt erzählt, wie er vor Jahren auf einem solchen Lehrpferd bei seinem ersten Erscheinen im Reitinstitut, damals noch mit seinem Herrn Vater, bei Egon von Neindorff bis auf die Knochen gedemütigt wurde. Er, der große junge Military Reiter, der bereits viele Turnier-Auszeichnungen und jahrelange vielseitige Arbeit mit Pferden auch beim Fahren vorweisen konnte….. Das Lehrpferd von Egon von Neindorff mit Axel Schmidt im Sattel, machte keinen Schritt vorwärts, nicht einen einzigen- stand unbewegt und ungerührt- und der erkannte in dem Moment schlagartig, dass er noch so vieles zu lernen hatte, … Egon von Neindorff riet Axel Schmidt einst, als dieser Praktikant am Institut war, doch die Profikarriere einzuschlagen. Er tat es und auch er wurde durch diesen großen Reitmeister geleitet und geprägt.
Als Fazit könnte man hier noch abschliessend bemerken, dass “ es doch alles eigentlich kein Hexenwerk ist”, sondern geduldige, gewissenhafte und jahrelange Arbeit an sich selbst und mit dem Pferd. Keine Tricks, Kniffe oder Schleichwege, sondern ehrliches Arbeiten… “Das Pferd ist hier immer die wichtigste und untrügliche “Prüfinstanz”- es gibt immer eine ehrliche Antwort”, so Axel Schmidt.
Während man langsam immer mehr begreift, was wirklich wichtig ist – wenn man lernt, den Pferden zuzuhören. Das Reitinstitut mit seinem umfassenden Unterricht und dem zur Verfügung stehenden Wissen dient schon seit vielen Jahrzehnten, auch heute noch, der Vorbereitung der Grundlagen bis hin zu den höchsten Stufen, mit hervorragenden Ausbildern und ausgiebigen Antworten auf alle Fragen der Schüler.